Filmkritik: James Bond 007 - Spectre


Als Daniel Craig 2006 in Casino Royale das erste Mal als James Bond auf der Leinwand zu sehen war, entfachte er dort ein Actionfeuerwerk, von dem die Bond-Filme der letzten 20 Jahre zuvor nur träumen konnten. Mit Witz, Charme und Eva Green überzeugte Craig all diejenigen, die sich im Vorfeld noch kritisch über ihn geäußert hatten. Mit Ein Quantum Trost war das Hochgefühl dann allerdings sehr schnell wieder verpufft, weswegen es umso erfreulicher war, dass Sam Mendes mit Skyfall erneut einen sehr starken, unterhaltsamen, packenden Agententhriller auf die Beine stellte. Nun, in Spectre, seinem vierten Film als 007 und wieder unter Mendes' Regie, krankt Daniel Craigs James Bond vor allem an einem: Charme und Esprit. Und nichts ist tödlicher als ein gelangweilter 007.

Der Film beginnt vielversprechend: In Mexico City wird gerade die gewaltige Parade zum Día de los Muertos, dem Tag der Toten, gefeiert, als Bond auf der Jagd nach einem Mann im weißen Anzug die Party im wahrsten Sinne des Wortes sprengt. Die mit einer großartigen, sechsminütigen Plansequenz eingeführte Eröffnungsszene ist so, wie man es von Bond erwarten würde: spannend, exotisch, augenzwinkernd. Doch schon mit der anschließenden Titelsequenz, unterlegt von Sam Smiths eher durchschnittlichem Klagelied Writings on the Wall, wird klar, dass wir uns in Spectre mit der Vergangenheit beschäftigen werden - was bei Bond-Filmen zum einen ungewöhnlich ist, zum anderen schnell ins melancholische schwanken kann. Immer wieder bekommen wir im Film Bilder der vorangegangenen Schurken Le Chiffre, Dominic Greene und Silva zu sehen, werden an den Tod von Judi Denchs M erinnert, beklagen weiterhin das tragische Ende von Vesper Lynd und begegnen dem mysteriösen Mr White erneut.

Doch was zunächst einmal auffällt, ist Bonds Humorlosigkeit. Gäbe es nicht Q (der wie zuvor schon vom äußerst sympathischen Ben Whishaw gespielt wird), hätte man als Zuschauer kaum etwas zu lachen. Bond darf und soll grimmig sein, gerne auch nachdenklich und emotional, keine Frage. Aber man darf dem Spion ihrer Majestät auf keinen Fall die Lizenz zum Coolsein nehmen. Und die kommt ein wenig zu kurz diesmal. Fast nur in den Szenen, in denen der Quartiermeister und der Agent gemeinsam auftreten, entwickelt Bond seinen bekannten Charme und Humor. Dazwischen sehen wir Bond auf der Jagd nach einem Schattenmann in London, Rom, Tangier und im österreichischen Altaussee. Das sind wie immer schöne Locations, doch vor allem die Szenen in Marokko und Österreich wirken ein wenig recycled. Während die Klinik, in der Bond-Girl Madeleine Swann arbeitet, hoch oben in den Alpen schon ein altbekanntes Bond-Motiv ist, anstelle dessen man sich durchaus mal etwas anderes hätte einfallen lassen können, ist auch das geheime Domizil von Oberschurke Oberhauser eine Kopie derer vorangegangener Bösewichte wie zuletzt erst in Ein Quantum Trost zu sehen. 

Um bei Oberhauser, gespielt von Christoph Waltz, zu bleiben: Man mag ja Waltz abseits der Kamera für einen arroganten Selbstdarsteller halten (ich tue es ja auch), auf der Leinwand war er bei Quentin Tarantino sowohl in Inglorious Basterds als auch in Django Unchained eine ideale Traumbesetzung. Umso ernüchternder ist nun die Tatsache, dass er diesen Rollentypus jetzt anscheinend nicht mehr los wird: Schon in Tim Burtons Big Eyes hatte Waltz das Problem, mit seiner immerzu gleichen Spielart schnell zu ermüden, doch in Spectre hat er den Bogen mittlerweile regelrecht überspannt: Zu keinem Zeitpunkt ist Franz Oberhauser ein ernstzunehmender Gegenspieler, und das obgleich er der Kopf des größten Verbrechersyndikats der Welt zu sein scheint. Wie ein immerzu jammerndes Kleinkind, dem man seine Holzeisenbahn weggenommen hat, stolziert Waltz trotzig durchs Bild. Das ist durchaus das eine oder andere Mal amüsant, wirkt aber im Großen und Ganzen unglaubwürdig und überzogen und hat auch nichts mehr mit dem Wahnsinn zu tun, den beispielsweise Javier Bardems Silver in Skyfall so wunderbar übermittelte. Auch der Ernst und die Kompromisslosigkeit eines Le Chiffre lässt Oberhauser vermissen. Da hilft auch nicht der von den Bond-Fans allgemein erwartete Plot-Twist um seine Person.

Doch natürlich ist Spectre trotz allem keineswegs ein schlechter Film: Hoyte Van Hoytema (Interstellar) hat wunderschöne Bilder eingefangen - die Plansequenz zu Beginn des Films sei da nochmals explizit erwähnt - und sorgt zusammen mit Thomas Newmans erneut tollem Score für die perfekte Bond-Atmosphäre. Auch Ralph Fiennes und Léa Seydoux sind klare Bereicherungen für den Film. Fiennes, als Judi Denchs Namerfolger M, darf wie schon in Skyfall selbst aktiv werden und hat eine nicht unwichtige Rolle in der Geschichte, wohingegen Moneypenny (Naomie Harris) diesmal leider auf einen Kurzauftritt reduziert wird und so ihrer Rolle aus den frühen Bond-Jahren wieder gleich kommt. Seydoux dagegen hat den Charme und die Schönheit eines Bond-Girls, das Ein Quantum Trost und Skyfall beispielsweise vermissen ließen. Die Französin ist taff, mutig und schlagfertig - auch wenn sie es mit Eva Greens Vesper Lynd ebenfalls nicht aufnehmen kann. Auch Monica Bellucci (die ganze fünf Minuten Screentime hat) und Andrew Scott sind eine Bereicherung für den Film, wobei Scotts Figur von Anfang an so eindeutig stereotyp ausgelegt ist, dass man sich wieder in Erinnerung rufen muss, dass es wirklich schade ist, dass Bond-Charaktere so erschreckend eindimensional gestaltet sind: bis heute ist Vesper Lynd die einzige Figur, bei der man tatsächlich nicht wusste, dass sie ein doppeltes Spiel treibt und wie ihr Schicksal enden wird.

Letztendlich waren die Erwartungen nach Skyfall vielleicht ein wenig zu hoch, auch wenn Spectre nun keineswegs eine solche Enttäuschung geworden ist wie Ein Quantum Trost beispielsweise. Bond-Filme sind im Grunde immer sehr unterhaltsam, auch Sam Mendes Film ist das. Doch es fehlt diesmal an einer packenderen Geschichte, einem gnadenloseren Schurken und an etwas mehr Bond-Humor. Dafür ist der Film auch einfach zu lang geraten, weswegen sich die Abläufe irgendwann nur noch zu wiederholen scheinen, während man darauf wartet, dass der große Knall kommt - der dann aber auch irgendwie nicht so richtig zündet. Denn das Finale ist dann weder überraschend, noch überaus spektakulär. Diese Bezeichnung haben dann eher die bereits erwähnte Eröffnungssequenz oder die Verfolgungsjagd auf Roms Straßen verdient. Alles in allem kann man hier einen unterhaltsamen Actionfilm erwarten, der aber einfach nicht ganz den Charme und die Spannung seines Vorgängers und erst recht nicht die Klasse eines Casino Royale erreicht.

★★★☆☆


Originaltitel: Spectre

Regie: Sam Mendes
basierend auf den Charakteren von Ian Fleming
Schnitt: Lee Smith

Darsteller:
Daniel Craig ... James Bond 007
Christoph Waltz ... Franz Oberhauser
Léa Seydoux ... Madeleine Swann
Rory Kinnear ... Tanner
Naomie Harris ... Moneypenny
Jesper Christensen ... Mr White
Monica Bellucci ... Lucia
Dave Bautista ... Hinx
Judi Dench ... M

UK/USA 2015, 148 Min.
Sony Pictures / MGM
Kinostart: 5. November 2015
FSK 12

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