Filmkritik: Crimson Peak

Die Tage werden kürzer, kühler und regenreicher - was gibt es da Besseres, als sich in den gemütlichen Kinosessel zu begeben und eine schaurig-schöne Geistergeschichte anzusehen? Nun, um das gleich vorweg zu nehmen, Guillermo del Toros Crimson Peak ist keine klassische Geistergeschichte. Der Film ist viel mehr eine Liebesgeschichte - mit Geistern. Auch Edith (wunderbar unschuldig: Mia Wasikowska, Spuren) weist den Zuschauer zu Beginn schon darauf hin, dass es Geister sehr wohl gibt - sie aber als Metaphern für etwas Vergangenes stehen. Die junge Frau ist im späten 19. Jahrhundert eine angehende Schriftstellerin und wird von der von Männern geführten Verlagswelt mit ihrem Manuskript einer Geistergeschichte zurückgewiesen - mit der Begründung, sie solle sich doch lieber auf eine romantische Erzählung beschränken.

Doch dann taucht auf einmal der junge Unternehmer Thomas Sharpe (Tom Hiddleston, Only Lovers Left Alive) auf und verdreht Edith den Kopf. Ihre eigene Liebesgeschichte nimmt ihren Lauf - und währenddessen übersieht sie das seltsame Verhalten von Thomas und dessen Schwester Lucille (Jessica Chastain, Zero Dark Thirty), muss einen schweren Schicksalsschlag ertragen, heiratet schließlich Thomas und zieht mit ihm nach England auf ein abgelegenes, heruntergekommenes Anwesen, auf dem Thomas roten Lehm abbaut. Wie in Edgar Allan Poes Kurzgeschichte Der Untergang des Hauses Usher steht das Gebäude selbst auf dem instabilen Grund und versinkt - ganz symbolhaft für die Sünden der Bewohner - Stück für Stück im Boden.

Immer wieder hat Edith geisterhafte Erscheinungen. Doch während sie zunächst noch denkt, die gruseligen Gestalten wollen ihr nach dem Leben trachten, erkennt sie mit der Zeit, dass sie ihr offenbar Botschaften übermitteln wollen. Zweifelsohne sind die (CGI) Geister gruselig, doch viel mehr sind es die Atmosphäre des Hauses, die Musik und das Sounddesign, die den wahren Grusel erzeugen - alles handgemachte Dinge also. Überhaupt ist die Optik des Films atemberaubend. Es ist lange her, dass man einen solch nostalgischen, klassischen Gruselfilm zu sehen bekam - Bram Stoker's Dracula wäre da so ein Beispiel. Auch Francis Ford Coppolas mittlerweile 23 Jahre alter Film war exquisit ausgestattet und hochkarätig besetzt. Nicht oft bekommt man schließlich solch ein starkes Ensemble für einen Genrefilm vor die Kamera. Del Toro verneigt sich hier von der ersten Einstellung an vor einem tot geglaubten Subgenre, und zelebriert mit prachtvollen Kostümen, detailverliebter Ausstattung und einem grandiosen Schauplatz - wenn man so will, dem eigentlichen Hauptdarsteller - den Gothic-Horror.

Doch auch schauspielerisch kann sich der Film sehen lassen: Mia Wasikowska überzeugt einmal mehr als unschuldige, junge Frau, die dennoch mutig und zielstrebig durchs Leben schreitet. Man fürchtet sich mit ihr und bleibt bis zum Ende hoffend an ihrer Seite. Tom Hiddleston zeigt nach Only Lovers left alive erneut, dass er mehr sein kann als eine Comic-Figur (und dennoch war sein Loki in den Marvel-Filmen schon immer eines der Highlights). Doch es ist einmal mehr Jessica Chastain, die nachhaltig im Gedächtnis des Zuschauers bleibt: Die 38-jährige ist salopp gesagt von ihrem ersten Auftritt an creepy. Man ahnt sofort, dass mit der hübschen, jungen Frau etwas nicht stimmt. Und diese Vermutung, soviel sei gesagt, bestätigt sich natürlich auch: denn Edith, das merkt sie auch mit Zeit, muss sich die Frage stellen, ob sie sich wirklich vor den Geistern fürchten muss - oder vor den lebenden Bewohnern dieses Geisterhauses.

Wenn man del Toro und seinem Co-Autor Matthew Robbins etwas vorwerfen könnte, dann, dass es im Grunde keinen (für dieses Genre übliche) wirklichen Plot-Twist gibt. Anders als bei einem M. Night Shyamalan beispielsweise gibt es in Crimson Peak keinen alles bisher Gesehene über den Haufen werfenden Moment. Denn recht früh ist klar, wer richtig und wer falsch spielt, wer Gut und wer Böse ist, wer leben und wer sterben wird. Doch das ist im Grunde gar nicht so schlimm, wie es klingen mag. Nicht jeder Film braucht komplizierte, am Ende gar irritierende Handlungskniffe, weswegen del Toros Film so klassisch wie das literarische Genre selbst aufwartet: Eine Geistergeschichte, die von ihren gruseligen Momenten, dem atmosphärisch packenden Ambiente, pompöser Ausstattung und starken, überzeugenden Charakteren lebt. 

★★★★☆


Originaltitel: Crimson Peak

Regie: Guillermo del Toro
Drehbuch: Guillermo del Toro & Matthew Robbins
Kamera: Dan Laustsen
Schnitt: Bernat Vilaplana
Musik: Fernando Velázquez

Darsteller:
Mia Wasikowska ... Edith Cushing
Jessica Chastain ... Lucille Sharpe
Tom Hiddleston ... Thomas Sharpe
Charlie Hunnam ... Dr. Alan McMichael
Jim Beaver ... Carter Cushing
Burn Gorman ... Holly
Leslie Hope ... Mrs. McMichael
Doug Jones ... Ediths Mutter / Lady Sharpe
Jonathan Hyde ... Ogilvie

USA 2015, 119 Min.
Universal Pictures
Kinostart: 15. Oktober 2015
FSK 16

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