Filmkritik: Der große Trip - Wild


"Das, was vor uns liegt, kann gestaltet werden. Es ist nicht unser unabänderliches Schicksal", sagt Alexander Supertramp alias Christopher McCandless, der junge Aussteiger, der 1992 alleine in der Wildnis von Alaska ums Leben kam. Er wollte alles hinter sich lassen, seine Familie, sein Geld, sein altes Leben. Er wollte in die Natur, die Freiheit genießen, ein besserer Mensch sein in einem besseren Leben. Sean Penns Verfilmung dieser wahren Geschichte, Into the Wild, ist einer der bewegendsten, schönsten Filme der letzten Jahre geworden, ein Film mit Bildern so schön, dass jeder Frame einem Gemälde gleicht, mit einer Geschichte und einer Titelfigur, die man einfach ins Herz schließen muss. Jean-Marc Vallées Der große Trip - Wild dagegen hat das große Problem, dass die Geschichte, die er erzählen will, viel zu bruchstückhaft bleibt und viele entscheidende Wendepunkte nur angerissen werden.

Auch die Geschichte von Cheryl Strayed (stark gespielt von Reese Witherspoon) hat sich wirklich zugetragen, und erzählt von einer jungen Frau, deren Kindheit vom brutalen Vater und der liebevollen Mutter (Laura Dern mit einer unglaublichen Präsenz und Lebensfreude) geprägt war, und die nach deren Tod, inzwischen verheiratet, zwischen unzähligen Affären und übermäßigem Drogenkonsum dahin vegetierte. Nach der Scheidung begibt sich Cheryl auf eine 1.600 Kilometer lange Wanderung auf dem Pacific Crest Tail, um einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Doch sie ist weder gut vorbereitet, noch scheint sie besonders viel aus ihrem vorherigen Leben zu lernen. Das spiegelt sich vor allem in der Szene wieder, in der sie mit einem wildfremden Mann direkt ins Bett steigt. Auf ihrer Reise trifft sie währenddessen auf vereinzelte andere Wanderer, zwei Jäger sowie einen Ranger, die ihr offensichtlich alle an die Wäsche wollen und einen Fuchs, der zu ihrer Leitfigur und Personifizierung der Mutter wird.

Es drängt sich natürlich der Vergleich mit Filmen wie Spuren oder eben Into the Wild auf - und beiden ist Der große Trip deutlich unterlegen. Während Reese Witherspoon zwar eine sehr gut Darstellung abliefert, bleibt ihre Cheryl einfach eine Figur, die man mit einer gewissen Abscheu betrachtet, wohingegen Chris McCandless oder Robyn Davidson, die 2.700 Kilometer durch die australische Wüste reiste, Menschen sind, mit denen man bis zuletzt mitfühlt und sich mit ihnen zusammen frei fühlt. Vielleicht haben die zu zahlreichen, oft uninspirierten Flashbacks die Spannung aus der Geschichte genommen, wenn man den nächsten Schicksalsschlag Cheryls miterleben musste, vielleicht kam ihr großer Trip einfach ein wenig zu kurz. Oder anders gesagt: Vermutlich war ihre Wanderung durch die Wildnis einfach nicht spannend und ereignisreich genug, um einen Film daraus zu entwerfen. 

Die Bilder vom Pacific Crest Trail sind zweifelsohne wunderschön, auch der Soundtrack ist sehr gelungen und wenn der Abspann beginnt will man natürlich am liebsten aus dem Kino rennen, seinen Backpacker-Rucksack hervorholen und sich auf eine abenteuerliche Wanderung irgendwo in die wilde Natur begeben. Aber wenn man dann noch einmal in Ruhe den Film Revue passieren lässt, muss man sich eingestehen, dass die Dramaturgie doch leider offensichtliche Schwächen hat und dass auch eine starke Hauptdarstellerin nicht dabei hilft, eine fragwürdig handelnde Figur sympathischer oder verständlicher zu machen.

★★★☆☆


Originaltitel: Wild

Drehbuch: Nick Hornby
basierend auf dem Tatsachenroman von Cheryl Strayed
Schnitt: Martin Pensa & Jean-Marc Vallée (als John Mac McMurphy)

Darsteller:
Reese Witherspoon ... Cheryl
Laura Dern ... Bobbi
Thomas Sadoski ... Paul
Michiel Huisman ... Jonathan
W. Earl Brown ... Frank
Brian Van Holt ... Ranger

USA 2014, 115 Min.
Fox Searchlight Pictures
Kinostart: 15. Januar 2015
FSK 12

Trailer:

Kommentare