Filmkritik: Birdman

Die Geschichte des Birdman ist die Geschichte des Michael Keaton. Keaton, der Ende der 1980er Jahre mit Tim Burtons Beetlejuice und dem ersten Batman-Film zum Star wurde, geriet Ende der 1990er Jahre wieder in Vergessenheit. Zwischen 2000 und 2010 waren die einzigen beiden großen Erfolge für ihn die Pixarfilme Cars und Toy Story 3 - in letzterem lieh er Barbies geliebtem Ken die Stimme. Doch es hat bis zu Alejandro González Iñárritus Vertrauen in Keaton gedauert, bis der 63-jährige Amerikaner wieder ins Rampenlicht der Filmwelt rückt: Und hier sind wir nun, bei Birdman. Keaton spielt Riggan, einen einst großen Filmstar, der mit der Darstellung des titelgebenden Superhelden zu Weltruhm gelangte, dann aber doch in der Versenkung landete und nun seit Jahren versucht, sich als ernstzunehmender Theaterschauspieler ein Comeback zu erarbeiten. Ein Vorhaben, das mehr Hindernisse zu Tage fördert, als ein Schweizer Käse Löcher hat.

Michael Keaton ist hier Michael Keaton - und das mit solch einer unglaublichen Präsenz und Ausdruckskraft, dass man sich fragen muss wie er so aus dem Blickfeld der Hollywood-Produzenten geraten konnte. In jeder einzelnen Szene des Films reißt er den Zuschauer mit auf seine Tour de Force durch die langen, schmalen Gänge des Theaters, hinauf auf die Bühne, um die Ecke zur Stammkneipe oder hinauf aufs Dach des Gebäudes. Nun ist diese starke Bindung an Keatons Riggan allerdings nicht nur dem fantastischen Schauspieler zu verdanken, sondern auch der revolutionären Kameraführung von Oscar-Gewinner Emmanuel Lubezki (Gravity). (Fast) der gesamte Film besteht aus einer (scheinbaren) Plansequenz, sprich: Knapp zwei Stunden lang wird dem Zuschauer das Gefühl suggeriert, es gäbe keinen einzigen Schnitt, die Kamera wäre in Echtzeit immer beim Geschehen dabei. Lubezki ist nicht erst seit Alfonso Cuaróns Gravity als Pionier und Perfektionist der Long-Shot-Technik bekannt, schon in Cuaróns Children of Men oder Terrence Malicks Tree of Life zeigte er, was eine solche Plansequenz in einem Film bewirken kann. Die komplette Nähe zum Geschehen, den puren Realismus und die Faszination an der Inszenierung. Denn die erfordert hier ein allerhöchstes Maß an Professionalität, Planung und Organisation.

Und dann sind da auch noch die Nebendarsteller, von denen jeder einzelne ebenfalls zu überzeugen weiß: Ob Edward Norton (eine Wucht!), Emma Stone (wer hätte das gedacht?), Amy Ryan, Andrea Riseborough oder Naomi Watts - sogar Hangover-Star Zach Galifianakis zeigt hier eine tolle Leistung. Und so gut die Darsteller sind, sie profitieren natürlich vom exzellenten Drehbuch des Autorenquartetts, das rasante, bissige, böse und saukomische Dialoge verfasst hat, die für laute Lacher beim Publikum sorgen. Sogar die Musik ist etwas besonderes, besteht sie doch fast ausschließlich aus Drum-Sessions von Antonio Sanchez.

Alejandro González Iñárritu ist hier ein außergewöhnliches Stück Filmkunst gelungen, das zu begeistern weiß und bei dem von Darstellern über Kamera bis zum Drehbuch alles zusammenpasst. Sein einziges Manko könnte sein, dass ihm bei aller Perfektion ein wenig die Seele und der Wiedererleben-Effekt fehlen, denn nach seinen zwei Stunden kommt man zwar beeindruckt aus dem Kinosaal heraus - muss sich aber eingestehen, dass Birdman vermutlich nicht der Film sein wird, den man sich an einem schönen Samstagabend nochmal zur netten Unterhaltung ansehen wird.

★★★★☆


Originaltitel: Birdman

Regie: Alejandro González Iñárritu
Drehbuch: Alejandro González Iñárritu, Nicolás Giacobone, Alexander Dinelaris & Armando Bo
Kamera: Emmanuel Lubezki
Schnitt: Douglas Crise & Stephen Mirrione
Musik: Antonio Sanchez

Darsteller:
Michael Keaton ... Riggan
Edward Norton ... Mike
Emma Stone ... Sam
Naomi Watts ... Lesly
Andrea Riseborough ... Laura
Zach Galifianakis ... Jake
Amy Ryan ... Sylvia
Lindsay Duncan ... Tabitha

USA 2014, 119 Min.
Fox Searchlight Pictures
Kinostart: 29. Januar 2015
FSK 12

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