Filmkritik: Baymax – Riesiges Robowabohu

Disney Animation ist seit ein paar Jahren auch in Sachen Animationsfilm kein Neuling mehr. Mit Rapunzel lagen sie erstmals vollkommen auf der Siegerspur, Ralph reicht's und Die Eiskönigin haben diesen Weg weitergeführt. Nun, mit Baymax – Riesiges Robowabohu, wie Big Hero 6 in der deutschen Fassung heißt, betritt man erstmals in der Geschichte des Studios das Terrain der Comicverfilmung. Und hat sich damit, soviel vorneweg, nicht den ganz großen Gefallen getan.

Die erste halbe Stunde des Films gleicht einem ganz normalen Jugendfilm, der - ungewöhnlich für einen Disneyfilm - auch problemlos als Realfilm hätte inszeniert werden können. Die beiden Brüder Hiro und Tadashi sind ein Herz und eine Seele, und das nicht erst, seit ihre Eltern vor vielen Jahren gestorben sind. Der überaus intelligente Hiro lebt lässig in den Tag hinein und erfreut sich lieber an den illegalen Roboterkämpfen, als auf die Universität zu gehen, wo er eh nichts Neues lernen würde. Doch nach einem Besuch an der "Nerd-Uni", wie er sie gerne nennt, ändert er seine Meinung. Doch es soll nie zu einem Studienbeginn kommen: Nach einer Präsentation gibt es eine verheerende Explosion und Tadashi stirbt beim Versuch, den als Mentor dienenden Professor zu retten. Abgeschottet von der Außenwelt trauert Hiro nur noch in seinem Zimmer, bis er den liebenswerten Gesundheitsroboter Baymax entdeckt, den sein Bruder gebaut hatte. 

Bis hierhin ist Baymax ein ungewohnt charakterbasierter, emotionaler wie auch unfassbar lustiger Disneyfilm, der sich perfekt in die Riege der großen Erfolge des Maushauses aus den letzten Jahren einreiht. Auch als Hiro die Studienfreunde seines Bruders als Superhelden rekrutiert um mit ihnen gemeinsam dem Dieb von Hiros genialer Erfindung, den Microbots, zu fassen, gibt es noch viel Kreativität und noch viel mehr schrägen Humor dank Baymax, dem lässigen Ghetto-Jugendlichen Fred oder dem dunkelhäutigen Wasabi, der in der deutschen Fassung genialerweise mit derbem Berliner Dialekt spricht, was so verrückt ist, wie es klingt. Doch als es dann nach einer ersten, guten Actionsequenz in einer großen Lagerhalle, in der Hiro die Wahrheit hinter allem erfährt und die Emotionen mit ihm durchgehen, zum großen Finale kommt, lässt das Drehbuch leider enorm nach: Denn die letzten 15 Minuten sind dann nur noch brachiale Action, der Humor geht fast vollkommen verloren, die Kampfeinlagen sind mit denen aus der Szene in der Lagerhalle fast identisch und der Superschurke irgendwie auch nicht so super mächtig und bedrohlich, wie zunächst gedacht. Das ist enorm schade und wird dem bis dahin überaus unterhaltsamen Film auch einfach nicht gerecht.

Hier wird dann die große MARVEL-Formel angewandt, die es in einem Disneyfilm vielleicht einfach nicht gebraucht hätte: zu lange Actionszenen, Superhelden überall, Explosionen und dann wie aus dem Nichts noch ein bis dato vollkommen unbekannter Charakter, der eine finale, alles andere als intelligente Handlung des Helden Hiro erwirkt, was nichts Gutes zur Folge hat. Klar, (fast) jeder Film braucht ein Finale, aber es hätte hier durchaus etwas Anderes sein dürfen, als das typische Assembling der Avengers, das dem Film am Ende leider zu viel kreativer, innovativer Fahrt aus den Segeln nimmt und den bis dahin fast makellosen Eindruck doch ein wenig schmälert. Es drängt sich natürlich ein Vergleich zu Pixars genialem Die Unglaublichen auf, doch während dort das Element des Spionagefilms im Vordergrund steht und auch das actionreiche Finale voller Ideenreichtum sprudelt, verlässt man sich hier zu sehr auf die allseits bekannte und beinahe einfallslose Superheldenformel.

Aber natürlich ist Baymax – Riesiges Robowabohu dennoch ein überaus unterhaltsamer Disneyfilm mit liebevollen, unglaublich schrägen Figuren, einer wunderschönen ersten Filmhälfte und so vielen großen Lachern, dass das Zwerchfell nach dem Abspann am besten von Gesundheitsroboter Baymax durchgecheckt werden sollte.

★★★★☆


Originaltitel: Big Hero 6

Schnitt: Tim Mertens

Englische Stimmen:
Ryan Potter ... Hiro
Scott Adsit ... Baymax
Daniel Henney ... Tadashi
T.J. Miller ... Fred
Jamie Chung ... Go Go
Damon Wayans Jr. ... Wasabi
Genesis Rodriguez ... Honey Lemon
James Cromwell ... Robert Callaghan
Alan Tudyk ... Alistair Krei
Maya Rudolph ... Tante Cass
Katie Lowes ... Abigail
Stan Lee ... Freds Vater
David Shaughnessy ... Heathcliff
Daniel Gerson ... Polizist


Deutsche Stimmen:
Amadeus Strobl ... Hiro
Bastian Pastewka ... Baymax
Daniel Fehlow ... Tadashi
Andreas Bourani ... Fred
Nora Huetz ... Go Go
Daniel Zillmann ... Wasabi
Maria Hönig ... Honey Lemon
Ronald Nitschke ... Robert Callaghan
Peter Flechtner ... Alistair Krei
Vera Teltz ... Tante Cass
Chrissy Zalamea ... Abigail
Peter Groeger ... Freds Vater
Thomas Danneberg ... Heathcliff
Michael Pan ... Polizist

USA 2014, 102 Min.
Walt Disney Pictures
Kinostart: 22. Januar 2015
FSK 6

Trailer:

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